Isarkunst Isarkultur -leben

 

Isarkunst, Isarkultur, Isarlebenslinien / Die neue Isar, Buchfluß und Isarforum, ein interdisziplinäres dauerhaft installiertes Isarprojekt

Dieses umfassende Isarkunst- und Isarkulturprojekt steht allen Isarkünstlern, Isarlebenskünstlern, wie z.B. Isarindianern, sowie auch weiteren Isarprojektgärtnern als Plattform und Isarbühne zur Verfügung: um ihre Arbeit, ihre Anliegen und ihr Engagement hinsichtlich der Isar, die damit verbundenen Themen und Aspekte, einem größeren Publikum vorzustellen.

Außerdem tragen die Teilnehmer damit zu dem in diesem Isarforum sich ständig erweiterndem Archiv an Fluß-Wissen und –Themen bei, womit sie zugleich auch die unglaubliche kulturelle Vielfalt in Verbindung mit der Isar aufzeigen helfen sowie die Flut an Inspiration und Ideen, die von dieser Lebensader ausgehen.

Mehr zu den Themen und Inhalten der bisher im Rahmen dieses Isarforums publizierten Fachartikel, Reportagen, Interviews und Literaturbeiträge, unter den Links dieser Homepage, doch vor allem in den bereits publizierten Bänden der Reihe Die neue Isar.

Unter dem Link www.die-neue-isar.com/die-neue-isar erhalten Sie einen genauen Überblick über alle bisher erschienen Isarbücher der auf unbegrenzte Dauer angelegten Reihe, mit Autorenlisten, Themenübersicht und Bestellmöglichkeiten.

Neben den kulturellen Aspekten dieser Gesamtarbeit setzen wir uns in Die neue Isar auch auf politischer Ebene ein, derzeit hauptsächlich für weitere Isar-Renaturierungs-Maßnahmen, eine direktere Bürgerbeteiligung, vor allem im Zusammenhang mit solchen Projekten, wie auch für neue urbane Konzepte, bei denen Möglichkeiten der Einbeziehung des Flusses im Vordergrund stehen.

Das gemeinsame Veranstaltungsprogramm des Forum neue Isar und des Nymphenspiegel Kulturforum mit seinen Offenen Kultur-Salons unter www.die-neue-isar.com/kontakt/isar-veranstaltungen-nymphenspiegel-kultursalon-programm

Ergänzt wird diese Programmseite noch durch einen etwa zweiwöchig erscheinenden Newsletter, anzufordern unter Mail: nymphenspiegel@aol.com

Über dieses Isarprojekt findet sich auf Wikipedia unter Die Isar in Kunst, Literatur und Musik dazu folgenden Eintrag: „Mit der Buch- und Veranstaltungsreihe Die neue Isar hat Ralf Sartori im Rahmen des Nymphenspiegel Kulturforums ein umfassendes Isarkulturprojekt initiiert, das mittels der auf unbegrenzte Dauer angelegten Isarbuchreihe, die Isar ganzheitlich – literarisch und fachlich – durch Beiträge einer Vielzahl hochkarätiger und wechselnder Autoren reflektiert, in Form eines Buchflusses, der jährlich mit einem weiteren Isarband erscheint. Flankiert wird diese Reihe durch eine Vielzahl von Isarführungen, Isarfesten und Kunstprojekten am Fluß.“

Treffender und kürzer läßt es sich kaum zusammenfassen, dafür aber durchaus noch etwas ausführlicher:

Die neue Isar ist eine informelle Plattform für alle Personen, ihre aktuellen Isarprojekte wie auch die eigene Isararbeit insgesamt, vorzustellen, also ein offenes Isarforum, das zudem weit über den kulturell-künstlerischen Bereich hinausreicht: z.B. auch Themen einbezieht wie Renaturierung (abgeschlossene Maßnahmen sowie weitere Potentiale in Anlehnung an bestehende Gewässerpflegepläne), Umweltschutz, politischer Initiativen, sozialer wie umweltpädagogischer Projekte (beispielsweise Jugendarbeit im Zusammenhang mit der Isar. Unser eigenes Projekt hierzu finden Sie unter dem Link: www.die-neue-isar.com/isarkunst-isarkultur-isarleben/kinder-isar-naturschutz-jugend-arbeit-umwelt-bildung-2), Isargeschichtliches, natur- oder geisteswissenschaftlicher Beschäftigung mit dem Fluß und seinen Landschaften. Ebenso kommen darin Isar-Landart und Geomantie an der Isar immer wieder vor; aber auch die Flußsurfer (riversurfing), Isar-Nomaden und –wanderer, die alten Isar-Trails, treten in Die neue Isar in Erscheinung.

In diesen kaleidoskopartigen, sich fließend fortsetzenden Spiegelungen eines Flusses durch die Vielfalt der Menschen, die mit ihm involviert sind und ihre persönliche Beziehung zur Isar künstlerisch, fachlich oder in ihrem sonstigen Engagement zum Ausdruck bringen, wird einerseits ein stetig wachsender Pool an themen, gebiets- und genreübergreifenden Isarwissens zusammengetragen; andererseits darin die Isar selbst in ihrem überströmenden, nicht gänzlich faßbarem Wesensreichtum erfahrbar.

 

 

Zum Thema Isarindiander/ Auszug aus einem Interview mit Hans Rehm

Als kleine Leseprobe folgt hier der Auszug aus einem Interview mit Hans Rehm, einem der ersten Isarindianer, welcher mit diesem Lebensstil bereits nach dem zweiten Weltkrieg begonnen hat und ihm bis heute treu geblieben ist.

Das volle Interview ist in Band 3 Die neue Isar enthalten (Erscheinungsdatum: Ende Februar 2012)

Menschen am Fluß

Hans Rehm –der Isarindianer

Seit Jahrzehnten, genaugenommen, seit 1976, lebt der heute neunundsechzigjährige Schwabinger Hans Rehm, von Frühling an, bis in den Herbst hinein, vollständig an der Isar, in seinem Tipi

(…)

Während dieser Zeit ist er alles andere als untätig. Dort kocht und schläft er, führt seinen Haushalt, übt sich am Fluß in der Zen-Kunst des Bogenschießens und fertigt Bögen auch selbst, doch vor allem betreibt er indianisches Kunsthandwerk, fertigt Moccasins und diverse Lederbekleidung, hauptsächlich Hosen aus Hirschleder, alles in einzigartiger Qualität sowie verschiedenste indianische Objekte.

Auch Willy Michl beispielsweise, mit dem Hans schon seit langem befreundet ist, läßt sich Teile seiner Kleidung immer wieder von ihm fertigen, so wie manch andere Kenner seiner Kunst. Doch dieser Kreis ist noch ziemlich überschaubar. Wer an seinen handwerklichen Arbeiten nähert interessiert sein sollte, kann sich, zwecks Kontakt zu ihm, gerne an die Redaktion wenden. Dieser ist allerdings nur zwischen Oktober und April überhaupt möglich, denn ein Handy gehört für ihn eben nicht zu seiner indianischen Lebensweise am Fluß.

Hans lebt eine mögliche Art vor, wie ein Leben mit der Natur aussehen kann, anstatt eines, wie es so viele gibt, das sich eher gegen sie richtet. Und dabei eckt er oft genug an. Natürlich auch beim Naturschutz. Denn eigentlich gibt es für Menschen wie ihn keine legalen Nischen, unter den gegebenen gesetzlichen Rahmenbedingungen, ein solches Leben zu führen.

Brauchen wir also vielleicht so etwas wie eine Ausbildung mit Prüfungen und Zertifikaten dafür, eine Art Führerschein für die indianische Lebensweise an der Isar? Die Frage mutet bizarr an? Oder vielleicht auch nicht?

Selbst Hans, der dabei nicht nur sein Wohl im Sinn hat, sondern durchaus ein sehr politisch denkender Mensch ist, hat noch keine für ihn letztendlich überzeugende gesellschaftliche Lösung für das Problem gefunden. Für sich persönlich allerdings schon, da sich mittlerweile sein Tipi-Platz schon seit Jahren auf einem privaten Landbesitz befindet, dessen Eigentümer es einfach gut findet, wie Hans seine Philosophie lebt, und das gerne unterstützt.

Hans Rehm vor dem Zelt (Foto: Rudolf Huber)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gespräch mit Hans Rehm, einem der ersten Isarindianer

Ralf Sartori: Erzähl doch mal, von welchem Moment an die Isar in Deine Biographie so sehr hineingeflossen ist.

Hans Rehm: Ich war da als Bub schon immer gewesen, weil wir ganz in der Nähe wohnten. Am Nordfriedhof, da ist quasi das alte Isar-Hochufer, in Schwabing: Da geht´s a bißerl runter, am Föhringer Wehr. Und unsere anderen Plätze waren dann der Reihe nach; das Baierbrunner Wehr, das nannten wir Grünwalder Wehr, kurz nach dem Georgenstein; mit Kind und Kegel – den Schuldfreunden und ihren Familien – sind wir dann, später im Erwachsenenalter, hin.

Ralf Sartori: Du auch mit Deiner?

Hans Rehm: Ich hab keine, aber die anderen waren da immer mit ihren Kindern, dort sind wir gerne hin, auch auf die Georgenwiese, die sich daran anschließt, und in Schäftlarn …, dann hinauf, Richtung Königsdorf, in die Pupplinger Au – da waren wir als Kinder schon; der Vater hat uns hingeführt.

Man ist nach und nach immer weiter isaraufwärts; es war eben naheliegend. An das Grünwalder Wehr konnte man noch mit der Trambahn hinfahren.

(…)

Als Erwachsener hab ich mir schließlich ein eigenes Tipi gebaut.

Ralf Sartori: Wie hast Du das gelernt?

Hans Rehm: Es gibt ein ganz bekanntes Buch darüber, von dem lernen alle, auch die Indianer heute. Nachdem das ein Mordsteil geworden ist – also wir haben früher ja auch schon immer unten biwakiert, eben in den Stauden drinnen, oft auch nicht mal ein Zelt dabei gehabt, sondern nur improvisiert  – haben wir das Tipi schließlich voll fett am Georgenstein, gegenüber, auf der Kiesbank aufgebaut. Daraufhin hat oben, von seiner Villa aus, an der Hangkante, der Millionär gleich telephoniert, daß da unten an der Isar ein Zelt steht. Dann kam schon nach einem Tag die Polizei …, der dachte wohl, für die Lage hab ich nicht so viel bezahlt, daß dann da unten so etwas steht. Jedenfalls kam die Polizei und sagte: Bis sieben Uhr müßt ihr weg sein. Die waren freundlich und wir haben sie natürlich gleich eingeladen, da wir das ganz nomadenmäßig betrieben; die fanden es auch gar nicht schlecht, was wir dort vorhatten, aber sie sagten: „Das geht eben nicht.“ Daraufhin sagten wir, gut, das machen wir, sind aber dann nicht gegangen. Und am nächsten Tag kam nochmal eine Streife – die können dort nur bis zum Schleuserer reinfahren, den Rest müssen die immer zu Fuß gehen – wir sind aber dennoch geblieben, und am dritten Tag hat´s zu schneien begonnen; da kam niemand mehr. An diesem Platz verbrachten wir damals drei Tage halblegal an der Isar. Das war so während der Zeit von Wackersdorf. Mir war natürlich klar, wenn wir dort weitermachen, wie das ausgeht. Dann tragen´s Dich weg, Deine Sachen nimmt die Feuerwehr mit, du landest vor dem Richter und darfst den ganzen Schmarrn auch noch bezahlen.

Ralf Sartori: Eigentlich sollte es ja ein Grundrecht sein, daß man draußen, am Fluß, wie ein Nomade leben kann, wenn man nichts beschädigt, die Natur achtet und keinen Müll hinterläßt. So viele Umwelt-Schweinereien sind in unserer Gesellschaft legalisiert und das eigentlich natürlichste von der Welt, in und mit der Natur zu leben, ist kategorisch verboten.

Hans Rehm: Ich geh davon aus, daß der Zugang zu den Flüssen und Seen ein Grundrecht ist. Natürlich braucht es dafür ein klares Reglement, wie man sich in der Natur zu verhalten hat. Das fängt mit dem Feuermachen an und hört beim Müll auf. Das ist auch problematisch. Denn fast in jeder Gruppe ist einer, der das Feuer immer weiter hochheizt und größer werden läßt, weil er seinen pyromanischen Trieb nicht unterdrücken kann. Das ist eben unser Feuererbe …

Nun, jedenfalls sind wir dann abgezogen und beim nächsten Ausflug wieder ein Stück weiter flußaufwärts, nach Königsdorf gefahren. Da ist so ein Jugend-Naziplatz. Dort haben wir uns an die Kiesbank gesetzt und dann hat uns auch da einer verpfiffen. Abends mußten wir gleich wieder abbauen.

Ralf Sartori: Ein Naziplatz?

Hans Rehm: Da war mal ein Lager der Hitler-Jugend. Das wird jetzt noch weiter als Jugendlager genutzt. Es gibt dort so einen fest installierten Jugend-Lagerplatz mit Duschen, Toiletten und allem, ziemlich überreguliert, das Ganze.

Daraufhin sind wir jedenfalls an die Ammer rüber; da war´s erst einmal aus mit der Isar. Und nach Jahren erst bin ich wieder zurück und hab weiter nach Plätzen gesucht, in Mittenwald, an der Riß, schließlich bin ich im Bereich der „Oberen Isar“ gelandet, nicht weit von einem Zufluß entfernt, wo absolut sauberes Wasser runterkommt. Dort konnte ich mich in einer Aue plazieren, auf einem Privatgrund; ich bin zu Privatleuten gegangen, einem Bauern. Zuerst wollt ich mein Recht, am Fluß zu leben, auf politischem Weg durchsetzen, doch das war mir irgendwann einfach zuviel geworden.

Dem Bauern hingegen hat das gefallen, daß ich dort bleib´, nachdem ich ihm mein indianisches Konzept in ein paar Sätzen beschrieben hab. Der war selber ein Almerer, fand das richtig gut, mein einfaches Leben in der Natur; für ihn war das ein respektabler und ehrenwerter Ansatz. Und jetzt denk ich an die Isar, während ich den ganzen Sommer dort oben am Fluß verbringe, in dem Sinne, wie man einen bestimmten Teil mehr der Öffentlichkeit zugänglich machen könnte, so, daß man sich dort, unter bestimmten Voraussetzungen, auch länger aufhalten darf, weil mir das Thema nach wie vor wichtig ist.

Ich spreche darüber auch mit den Chefs der Jugendlager und der Pfadfinder, sage zu ihnen: „Arbeitet´s halt einmal ein paar Grundlagen aus, wie so etwas aus eurer Sicht gehen könnte.“

Ralf Sartori: Du vertrittst durchaus einen politischen Ansatz, diesen Lebensstil als Indianer am Fluß, legalisieren zu lassen?

Hans Rehm: Ja, ich würde das einfach nur als Möglichkeit sehen. Es muß gar kein Gesetz dafür geben, es würde vielleicht schon eine andere Art der Handhabung genügen.

Ralf Sartori: Du meinst, so etwas wie eine Behördenrichtlinie?

Hans Rehm: Wenn´s viel ist, es langt schon …, was zum Beispiel beim Grünwalder Wehr mal der Fall war: Da gab´s eine große Gruppe drunten, bunt zusammengewürfelt, ganz verschiedene Typen – die Hauptfigur war der Fischer Hans, das war der Sohn eines Bildhauers aus München, das Pferd in Grünwald, wenn man wieder rausfährt, das sich so verdreht, das ist von diesem Bildhauer; der Sohn, der hat dort unten einen Platz klargemacht und da kam nichts anderes hin als die Feuerstelle. Keine Möbel, kein Zelt, wer dort unten war, der hatte nur sein Schlafzeug dabei. Und die haben dann gebaut, hauptsächlich der Fischer Hans, also ein Baumhaus, sehenden Auges vor der Grünwalder Polizei; die haben sich gesagt, Lassen wir ihn, der macht das schon ganz gut. Als nächstes hat er einen Einbaum gebaut, dafür mußte er erst einmal einen Baum herausholen – und er hat diesen Platz klargemacht. Und die dort waren, sind eben zum Fischen gegangen, haben ihr Bier getrunken oder sich vom Georgenstein plumpsen lassen und sind auf die Floße drauf.

Ralf Sartori: Das waren aber keine Fischer … ?

Hans Rehm (lacht): Die haben schwarzgefischt.

(…)

Hans Rehm: Ja, das hat die Grünwalder Polizei so durchgehen lassen; ein guter Freund von mir, der Ungar-Paul, der da auch eingelaufen ist, ein Ungarnflüchtling , der auf seinem Fluchtweg in München gelandet ist, zufällig, und dann ein paar Monate geblieben ist, hat es mir erzählt: Der hat nämlich mit den Polizisten viel später einmal darüber geredet; nachdem schon einige von ihnen gestorben waren, da hat einer der Polizisten gesagt: „Solang die alle da drunten, die ganze Zeit, waren, hat´s nie Ärger gegeben – und das hat uns genügt.“ So würd´s ja auch gehen. Es muß schließlich nicht alles in Gesetze geschrieben werden.

Ralf Sartori: Das hat aber den Nachteil, daß solche Möglichkeiten, ob es sie gibt oder nicht, dann immer von Glück und Zufall abhängen, wer wo gerade der offizielle Aufpasser ist.

Hans Rehm: Aber wenn z.B. heut´ eine Jugendgruppe sagt, ich möchte da ein Jugendlager machen am Fluß, dann werden die von den Gemeinden in der Regel immer weitergeschickt. Das ist jetzt auch der Naturschutz – und bei unserem Naturschutz gehört ja der Mensch mittlerweile nicht mehr dazu. Wir haben uns selber ja längst als Drecksäue begriffen und wollen das auch bleiben. Wir wollen es bleiben! Denn wie sonst, sollte man denn kleinen Menschen etwas anderes vermitteln? So etwas muß man einfach in der Praxis tun, wenn man das will!

Auf irgend so einen überinstallierten Jugendlagerplatz – da lernen die überhaupt nichts! Weil das, durch diese Organisation, höchstens das Gefühl vermittelt, gerade einmal nicht zuhause zu sein und dann erst richtig aufdrehen zu können. Aber falls das In-der-Natur-Sein in einer primitiveren Form stattfände, würden die dabei viel mehr lernen, wie man mit der Natur leben – in ihr überleben und klarkommen kann. Das machen die aber nicht; ich hab mit all den Leitern darüber geredet. Es gibt für diese Möglichkeit zwar eine Rechtsgrundlage, in Form eines Antrags, den man stellen kann, doch in der Regel werden solche Gruppen von den Gemeinden weitergeschickt. Die verstecken sich hinter dem Naturschutz. So ist eben derzeit unsere Situation. Manche haben´s trotzdem probiert, dagegen anzukommen, z.B. mit der „Aktion saubere Landschaft“, damit ginge so etwas eher wieder …

Ralf Sartori: Was heißt das in der Praxis?

Hans Rehm: Dosen aufglaub´n! Saubermachen – ist ja auch ein guter Ansatz, und viele Deppen bleiben dadurch ja sowieso schon einmal weg. Ein anderer Ansatz könnte sein, daß man die Zufahrten nur für Fahrzeuge blockiert. Wenn der Kofferraum nicht aufgeht, dann ist bestimmt gleich die Hälfte weniger an Dreck da. Doch wenn der einmal aufgeht, dann kommt da der ganze Aldi-Kram raus und viel von dem Verpackungszeug bleibt einfach liegen. Dann heißt´s wieder, das sind doch alles Drecksäue, das kann man ja nicht zulassen. Und die Leute wirklich auseinanderhalten, ist durchaus schwierig. Aber, ich finde, es ist wie in der Schule: Das allgemeine Verbot ist nichts anderes als Sippenhaft!

Ralf Sartori: Das gleicht einem anderen Zwiespalt, den wir in der derzeitigen Naturschutz-Praxis haben: Da wird dann schon auch mal damit begründet, einen Flußabschnitt vermeintlich nicht renaturieren, das heißt, das Betonkorsett nicht rückbauen zu können, weil sich vielleicht hinter der betonierten Uferverbauung gerade ein paar seltene Orchideen oder andere Roteliste-Arten angesiedelt haben, die der Fluß andernfalls bei Hochwasser mitreißen könnte. Und da fragt man sich dann schon zuweilen: Seit wann muß man denn das Naturschutzgebiet vor der wirklichen Natur schützen, mit Steinverbauungen? Was stellt nun den höheren Wert dar, ein Paar Hangtümpel zum Beispiel, in einem abgeriegelten Auwald-Streifen, dessen Rinnen ohnehin längst trockengefallen sind, weil sie den Kontakt zur eingetieften Isar längst verloren haben, oder eine intakte und sich ständig verändernde Wildfluß-Auenlandschaft, die eine hochdynamische Einheit bildet, mit ihrem insgesamt viel größeren und artenreicheren Fächer an Habitaten? Der allerdings ständig in Veränderung begriffen ist. Das ist so ein Grundsatzstreit: hier eben zwischen den Anhängern eines eher statischen Habitatsschutzes und, auf der anderen Seite, jenen, die mehr natürliche Sukzession, also Dynamik am Fluß wieder erreichen wollen. Doch oft wird der Statische Habitatsschutz nur als Vorwand mißbraucht, weil man in Wahrheit einfach nur nichts verändern mag an der bestehenden Situation, nicht selten, um andere Interessen, wie die der Kraftwerksindustrie, zu bedienen. Dadurch scheint auch die Natur selbst, oft unter fadenscheiniger Begründung, in Sippenhaft, zum vermeintlichen Wohle einzelner Pflänzlein, genommen.

Hier büßt die Natur als Ganzes für den vermeintlichen Artenschutz – und in Deinem Fall büßen eben die Isarindianer, die auf die Natur achten, für das Gros der Freizeitbesucher.

(…)

Hans Rehm: Es ist halt schade, wenn die Guten alle gleich immer nach Kanada fliegen müssen, wenn sie mal in der Natur leben wollen; und das viele Fliegen ist ja auch nicht grad so umweltverträglich. Was helfen würde, wäre, wenn die Kontrolleure, wie z.B. Naturschutz-Ranger, einen eigenen Handlungsspielraum bekämen, daß sie z.B. zu den Leuten sagen könnten: Ihr macht das jetzt so oder ihr seid sofort weg, natürlich mit Busgeld und allen Möglichkeiten. Das hätte dann auch gleich eine erzieherische Wirkung. Und wenn die dann sehen: da sind mehrere Autos und die feiern unten eine Party, ohne Rücksicht auf den Platz, mit wummernden Bässen vom Band, da müßten die gleich, schon im Ansatz, richtig durchgreifen.

Ralf Sartori: Das ist ein wichtiges Thema, denn genau eine solche Situation haben wir ja gerade in München, nach Umsetzung des Isarplans, dort passiert in dieser Richtung leider wenig.

 

(…)

 

Hans Rehm: Solche Leute kommen natürlich immer, aber reden wir nochmal über die anderen, die gut mit der Natur umgehen und einfach am Fluß sein wollen: Ich hätte ja mittlerweile gar nichts mehr dagegen, wenn das einfach nur eine Szene wäre, die auch nicht unbedingt legalisiert zu sein bräuchte, die aber bekannt ist, und daß die z.B. selbst eine Art Rahmen entwickeln oder einen Stil, der für andere zwar nicht verbindlich ist, aber mit dem die selbst als Szene am Fluß anerkannt und zugelassen sind. Also, der Fischer Hans, zum Beispiel, hat ja auch Leute verjagt, die unten zu arg aufg´saut haben; wenn es sein mußte, griff der da richtig durch; der hatte damals auch Waffen. So war das in dieser Nachkriegsszene (lacht) …, was ich in der Form jetzt nicht gerade propagieren möchte.

Ralf Sartori (R.S.): Solche Gruppen-Regulative sind sicher ein wichtiger Ansatz, trotzdem muß man hier sehr darauf achten, daß in einem solchen Rahmen nicht Gruppen entstehen, die wiederum andere schikanieren. So etwas passiert in rechtsfreien Räumen ganz leicht. In jedem Fall, finde ich, sollte das Gedankengut Verbreitung finden, daß es hier neue Modelle braucht, und eine größere Differenzierung notwendig ist, zwischen denen, die mit der Natur leben wollen, gut und achtsam mit ihr umgehen, den Platz wieder so verlassen, wie sie ihn aufgefunden haben, und jenen, für die sie nur eine Art Event-Arena darstellt, die sie einfach rücksichtslos für ihre Launen benutzen. Für erste sollte man, finde ich durchaus legale Möglichkeiten schaffen.

Hans Rehm: Die sind halt dann Mitschützer, die arbeiten auch für die Natur, indem sie sich dort wie Lebewesen verhalten, ihre Zuneigung und Wertschätzung einbringen, anstatt sich wie die Könige (Tyrannen) der Welt aufzuführen. Dann macht das den Weidenpiper oder wer sich da sonst noch so tummelt, überhaupt nichts aus. Also, ich mein, ich leb ja jetzt dort droben, an meinem Platz allein: Die Viecher werden regelrecht zutraulich. Ich leb seit dreißig Jahren mit Ameisenvölkern, teilweise in meinem Zelt, ohne Probleme. Das ist dann eher das Taoistische Modell der Einpassung in ein Biotop. Dementsprechend können zum Beispiel an der einen Stelle sonst wie viele Leute sein, an einer anderen wiederum viel weniger; das muß einfach angepaßt werden, danach was ein Platz verträgt. Die Isarbiotope sind nicht gedacht als Freizeitangebot Münchens, sondern für die guten Münchner, weil die seit jeher irgendwo draußen noch einen zweiten Fuß drin haben. Für ihr urbanes Gefühl brauchen die einen Rückhalt im Umland. Das ist nicht nur Wasser abschöpfen, sondern dort geht man hin, weil man auch weiß, daß man daraus sein städtisches Leben entwickelt. Die Städte leben ja auch aus ihrem Umland.

Übrigens kenne ich noch eine Szene in Geißach: Das sind auch so Flußhüter. Die tun da Brettsurfen und schauen auch, daß dort keine Deppen hinkommen. Ich seh das eher so, daß solche Einheimischen ihre Region cool halten. Nach welchen Regeln auch immer: Ob das jetzt grob, oder fein geht, kommt eben ganz drauf an.

Ralf Sartori: Du hast am Anfang von dem Freundeskreis am Grünwalder Wehr erzählt. Die Gruppe hat sich also nach dem Krieg entwickelt.

Hans Rehm: Eine ganze Reihe von Leuten – das waren alles Säufer von hier, Existentialisten, Bohèmiens, Nachkriegs- …, Aufbauverweigerer. Also in Schwabing, da hat´s schon die ersten wieder gegeben, die beim Wiederaufbau gar nicht so eifrig waren, denen war das gleich schon suspekt; das Wirtschaftswunder war für die gar kein Wunder, sondern eher nur wunderlich. Das hat damals schon angefangen, in meiner Generation; von denen sind einige natürlich schon wieder weg …

Ralf Sartori: Also Leute, die sich nach dem Krieg gesagt haben, wir wollen jetzt nicht einfach so weiterwurschteln wie zuvor, als wäre nichts passiert?

Hans Rehm: Ja, nicht gleich wieder Vollgas! Die wollten klein bleiben, unter dem Motto: Small is beautiful. Da haben sich schon die ersten Antriebe gezeigt … ; so eine Lebensphilosophie kam ja dann aus Amerika ganz dicke noch rüber, ein anderes Denken, andere Werte und Haltungen. Daraufhin gab es bei uns überhaupt erst so etwas wie ein Grünes Denken und eine Alternative Bewegung. Das kam alles hauptsächlich aus den USA, mitsamt den Sonnenkollektoren. Die hatten damals schon so etwas Ähnliches gebaut, aus Holzkisten, mit schwarzen Schläuchen drin, kann ich mich erinnern.

Ralf Sartori (R.S.): Und von diesen Nachkriegs-Schwabingern an der Isar – gibt es da noch eine direkte Linie, die bis heute an den Fluß reicht?

Hans Rehm: Nein, eine Linie war das sowieso noch nie. Das war immer diffus und chaotisch.

Ralf Sartori: Also nicht so etwas wie ein offener, aber fester Kreis?

Hans Rehm: Nein, auch ein Kreis war das nicht. Eher etwas amövenartiges – irgend eine Art von Umfang hatte es schon, aber darin gab es nur minimale soziale Bindung. Der Zusammenhalt lief eher spontan, auf euphorischer Ebene, da hat´s immer hingehauen, mit der Musik z.B.: Also solche wie z.B. der Willy Michl, den Du ja warscheinlich kennst, der hat der Isar sogar ein Lied geschrieben, das war ja längst mal fällig wieder, damit man den Fluß auch kulturell richtig annimmt. Das blöde München gäb´s ohne diese Furt ja gar nicht. Ein gewisser Respekt dem Fluß gegenüber ist schon daher geboten.

Ralf Sartori: Wie entstand eigentlich der Begriff „Isarindianer“?

Hans Rehm: Ursprünglich stammt der ja vom Sigi Sommer. Und er war ja ein Oberindianer. Der kannte noch ein paar Alte, die einmal hier waren, zusammen mit der Buffalo-Bill-Show. Und sein Vater war einer der Mitbegründer von diesem Indianer- und Cowby-Club da in Thalkirchen. Er hatte den Ausdruck Isarindianer immer mal wieder in einer seiner Kolumnen gebraucht. Dort haben wir ihn aufgeschnappt – und uns Isarindianer genannt, weil wir das für unsere Lebensart als passend empfanden. Und es gibt immer wieder Leute, die so empfinden, weil sie es einfach in sich haben. Ich hab z.B. heuer Leute kennengelernt aus Dingolfing, die sind von dort drunten mit dem Pferd die Isar hinaufgeritten, bis zu den Quellen. Und eine Frau, die war auch aus der Ecke da unten, die kam mich besuchen, mit einem Hund und einem Wagerl, und ist von mir aus mit dem Wagerl wieder heim nach Dingolfing, immer an der Isar entlang, das war letzten Sommer. Also ist das als Trail durchaus, sozusagen,  für etwas ungewöhnliche Gesellen, reizvoll.

Ralf Sartori: Bekommt man denn keinen Ärger, wenn man mit Pferd an der Isar entlangreitet?

Hans Rehm: Eigentlich nicht – die Wege sind ja da. Die sind ja auch als Radwege zugelassen. Das finde ich auch gut, daß das eine Bikerstrecke ist, an der Isar entlang. Und man hat ja, Gott sei Dank, die Straßen nicht mehr weiter herangeführt als das ohnehin schon der Fall war. Das ist ganz entscheidend. Ich war immer der Meinung: Wenn da einer campieren oder dort drunten sein will, dann soll er das alles, was er braucht, auch runtertragen, und wenn er dafür zehnmal läuft, und ja nicht mit irgendwelchen Motorfahrzeugen anfahren.

Ralf Sartori: Die Biker heute sind aber leider längst nicht mehr wie Radfahrer früher; die rasen ja heute meist so durch, daß Du als Spaziergänger fast nur noch in den Graben springen kannst, um dich in Sicherheit zu bringen.

Hans Rehm: Ja, das ist aber ein altes Problem. Weißt Du, man könnte ja auch dafür wieder Regeln aufstellen; aber besser wäre es doch, wenn die, die dort unten sein wollen, sich miteinander arrangieren täten. Das fände ich politisch wertvoller. Wie das dann geschieht, das ist der Alltag; da wird´s auch Streitereien geben – (…) Die Menschen müssen einfach lernen, miteinander zu reden und sich selber zu arrangieren, sonst brauchen sie immer noch mehr Regeln von außen. Und solche allgemeinen Regeln werden immer so sein, daß sie nicht allen gerecht werden können.

 

(…)

Wichtig ist für mich vor allem die Vorbildwirkung von Gruppen, die sich an der Isar aufhalten und daß die auch mit anderen reden, die sich weniger Gedanken über ihren Umgang mit der Natur machen; und, daß Familien dort sein können, und die Kinder an den Umgang mit der Natur herangeführt werden. Allerdings, mit zwei oder drei Familien an einer schönen Fluß-Stelle, ist so ein Platz dann auch schon dicht. Die Isar ist eben etwas ganz besonderes und wertvolles, das muß man immer wieder betonen. Sie ist exklusiv und eignet sich nicht für den massenhaften Freizeit-Ansturm aus München. Die Leute müssen selbst ein Gefühl dafür entwickeln, was an der Isar geht und was nicht. Man kann ja schlecht eine Quote einführen, wer wann wohin darf. Ich find´ in dem Zusammenhang deine Isarreihe ganz gut. Die kann mit der Zeit vielleicht schon dazu auch beitragen, daß die Leute nicht nur sich selbst sehen, sondern einen besseren Blick für die Isar bekommen, wie besonders sie ist – und damit auch für ihre Bedürfnisse.

Es hat sich ja doch schon viel verändert, ich kenn selber ein paar Leute, die sich in den letzten Jahren ziemlich umgekrempelt haben im Denken, gerade im Hinblick auf Naturschutz und Nachhaltigkeit. Und man sieht an der Isar immer wieder Väter, die zu ihren Kindern sagen, reiß da nix aus und hau net alles nunter. Das ist schon da, aber man muß es weiter fördern. Allerdings ist das zugleich so eine Weichei-Geschichte, die oft weniger attraktiv wirkt. Cooler wirkt´s bei vielen, wenn man mit dem Messer rausgeht und damit wild herumschneidet und holzt.

Da, wo ich bin, da sind im Sommer mal zwei Wochen lang drei oder vier Jugendlager mit 40 bis 50 Leuten. Ja mei, die hausen dort drin, erst einmal. Und ich streit mit denen immer und sag: „Mach doch nicht alles kaputt, das muß doch nicht sein. Aber die müssen halt auch ihren Druck erst einmal rauslassen, was man ja verstehen kann. Letztendlich ist das immer so eine Abwägungssache, zwischen Zulassen und sie allmählich in eine andere Richtung bringen.

Ralf Sartori: Bei manchen dauert´s vielleicht ein wenig länger, bis die innerlich in der Natur ankommen? Auch deshalb ist es wertvoll, dort bleiben zu können. Und ich seh´ das vor allem auch so, daß es einen Unterschied macht, ob man in so einem Komfortlager wohnt oder ganz ursprünglich mit wenigen Mitteln in der Natur lebt.

Hans Rehm: Man braucht auch Geduld, das zu vermitteln. Es ist nicht planbar und geht halt da und dort, weil sich vielleicht ein paar dafür hergeben, die sich einsetzen.

Ralf Sartori: Die Isar braucht jedenfalls mehr engagierte Öffentlichkeit – was Du auch vorhin gesagt hast: Wenn Du lang am Fluß bist und dort arbeitest, Deinem Kunsthandwerk nachgehst, da bekommst Du viel Inspiration, ganz viel an Ideen und Kraft vom Fluß, eine Art innerer Erweiterung. Das spür ich schon allein, wenn ich nur an diesem `Buchfluß´ der Isar arbeite, aber um so mehr noch, wenn ich direkt räumlich dort bin, an einem ihrer besonderen Plätze. Die Isar ist ein ganz eigenes Lebewesen und ein höchst wesenhafter Lebensraum, mit besonderen geistigen Qualitäten, die den Leuten, die sich dafür wirklich öffnen, unglaublich viel geben können.

Hans Rehm: Sobald ein Mensch das einmal kapiert, was er dort seelisch kriegt, dann ist es ja gelaufen. Dann hat er ja schon verstanden, worauf´s ankommt. Aber diese Ebene überhaupt anzusprechen, ist heut mittlerweile bestimmt wirksamer als, wie meinetwegen, vor 30 Jahren. Da war man allgemein noch ganz holzig unterwegs und auf Maximierung, Kilowatt – Ausbeute, in jeder Hinsicht … aus.

 

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Denen, die wirklich gerne an der Isar sein wollen, weil sie die Landschaft so sehr mögen, den Fluß, die Plätze, denen sollte man es, finde ich, nicht unnötig schwer machen – und sie vor allem auch unterscheiden vom Konsumenten, damit die wenigsten einen gewissen Status entwickeln können für sich. Wenn  das möglich wäre, könnte das Gruppen zusätzlich motivieren, sich über ihre eigene Philosophie, ihren Kodex auch nochmal neu Gedanken zu machen, wie sie sich dort benehmen.

Ralf Sartori: Diese Unterscheidungsmöglichkeit, auf die Du immer wieder zu sprechen kommst, ist, glaube ich tatsächlich die Quintessenz unseres Gespräches: Menschen nicht im allgemeinen für die Dummheiten und Vergehen anderer in Sippenhaft zu nehmen und mitbüßen zu lassen, scheint auch mir dringend geboten. Und für diese Unterscheidungsnotwendigkeit gibt es noch viel zu wenig an Grundlagen. Dafür bräuchte es einen wohlüberlegten Rahmen, den zu kreieren man alle wichtigen Institutionen einbinden müßte. An erster Stelle die Protagonisten einer solchen Lebensweise selbst, die Gemeinden, den Naturschutz, die Wasserwirtschaft, die zuständigen Polizeiorgane und, wo vorhanden, die Naturschutz-Ranger. Die müßten dann aber, mit Unterstützung jeweils `ortsansässiger Isarindianer , ich nenne sie mal so´, auch die Möglichkeit bekommen, konsequent bei Leuten durchzugreifen, die sich da draußen dumm und verantwortungslos benehmen.

 

(…)

 

Ralf Sartori: Du baust auch Rinden-Kanus. Benutzt du da für den Außenbereich wirklich nur Rinde?

Hans Rehm: Naja, die Modelle, die ich mache, werden aus echter Rinde hergestellt. Die großen aber bestehen aus einem Ersatzstoff, einer Korkmatte, die mit Segeltuch verleimt ist. Das verhält sich dann genauso wie Rinde; und der Kork ist ja schließlich auch eine Rinde.

Den muß ich aber armieren mit Segeltuch, was auch in den Staaten mal einige Zeit so üblich gewesen war, für etwa 20 Jahre. Auf französisch heißt das Canout de corce, da die das Wort Corce für Rinde ganz allgemein gebrauchen. Ursprünglich benutzte man für diese Kanus Birkenrinde, die gibt es aber bei uns zu selten und schon gar nicht genug davon für so etwas. Auch in USA ist sie rar. Da kostet ein Cover an die 800 $. Denn es wurden so viele Boote hergestellt, bis nicht mehr genügend Birken da waren. Dann hat man angefangen, die aus Latten zu bauen. Und ich hab halt die alte Technik wieder verwendet, weil man dafür keine Form braucht: Da muß man alles wickeln, binden und keilen.

Ralf Sartori: Also kein Gerippe vorab?

Hans Rehm: Das wird wie ein Faltboot in die Tasche reingebaut. Dann wird die Tasche vernäht und anschließend werden die Rippen da hineingedrückt. Außen kann man eigentlich hernehmen, was man will: Birkenrinde oder z.B. eine alte Stragula oder etwas ähnliches. Mich hat vor allem die alte Technik interessiert. Früher hab ich die Isar gerne noch mehr mit dem Kanu befahren. Da hatte ich einen Kanadier mit meinem Spezl zusammen und da waren wir gut eingespielt.

(…)

Hans Rehm: Das Segeltuch spachtel ich ab und lackiere es mit Latex oder einem Harz. So machen die Kanadier das auch; das muß immer wieder einmal erneuert werden. Davon hab ich insgesamt drei Stück gebaut. So etwas wollte aber keiner, da das den meisten zuviel Pflege bedeutet. Die modernen, die kannst´ halt wirklich strapazieren und bei denen, mußt´ schon obacht geben. Das ist jedenfalls die indianische Bauweise, die in USA entwickelt wurde.

Ralf Sartori: Du stellst auch indianische Schuhe (Moccasins), Taschen, Hosen und andere Kleidungsstücke aus Leder her. Was du da anhast, ist ja auch von dir. Das ist sehr schön und sieht absolut professionell gearbeitet aus. Wo hast du das denn so gut gelernt?

Hans Rehm: Das hab ich mir abgeschaut von so kleinen Heftln, aus dem damaligen amerikanischen Untergrund. „North-american foot-wear“ Da steht alles drinnen, alle Schnitte, alles, wie´s geht. Dann die Näh- und Sticharten – die hat mir mal einer vom Cowboy-Club gezeigt. Daraufhin hab ich´s mir eben beigebracht.

 

(…)

 

Ralf Sartori: Und Deine kunsthandwerklichen Sachen – verkaufst Du die nur an Freunde oder im Bekanntenkreis oder hast Du da einen Laden?

Hans Rehm:  Nein gar nicht, das mach ich alles in meinem Atelier, wo ich von Oktober bis April auch lebe. Da kommt einmal dieser oder jener daher, dann hab ich auch ab und zu in einem Laden was drinnen. Es ist halt Qualitäts-Handwerk, da kannst´ eh nicht wirklich davon leben.

Ralf Sartori: Welche Art von Leder verarbeitest Du?

Hans Rehm:  Hauptsächlich Hirschleder. Das gibt´s bei uns noch durch die Tracht; dadurch gibt´s überhaupt noch welche, die das herstellen. Meistens geh ich dann gleich zum Gerber; der weiß schon genau, was ich brauche.

Ralf Sartori: Wie lange bist Du da so ungefähr dran, an einer Hirschlederhose?

Hans Rehm: So eine Woche vergeht dabei schon. Die Moccasins bring ich in vier bis fünf Stunden zusammen.

Ralf Sartori: Und was muß man dafür in etwa rechnen, für so eine Hose?

Hans Rehm (H.R.):  Das hängt so ein biß´l vom Material ab, aber so um die 600 € brauch ich dafür. Ich hab dazu auch einen eigenen Schnitt entwickelt: Das ist eine Kombination aus unseren Fallhosentür´l-Schnitten und den amerikanischen Leggings. Ich mach die innen ohne Naht, das wollen manchmal Reiter, außerdem formt es sich dann schöner, weil man das Material genau so an den Körper anpassen kann, wie er sich von Natur aus am besten dehnt. Weil, so ein Leder dehnt sich in der einen Richtung wenig, in der anderen wiederum mehr. Das hab ich von den Indianern gelernt und bei meinem Schnitt berücksichtigt. Die haben, wie der Ötzi auch, das Leder anatomieidentisch bei der Verwendung angepaßt. Manches näh ich mit dem Faden, manches, das Lacing, als Lederband-Naht. Letztere hält das Ganze besser zusammen. Dort, könnte man sagen, wächst das Leder wieder zusammen. Die Moccasins mach ich so für´n Hunderter im Schnitt. Da kommt dann noch eine Ledersohle am Ende drauf.

Ralf Sartori: Die sehen recht solide aus.

Hans Rehm: Ja, ich hab mich immer geärgert, schon als Bub, daß das, was sie so als Moccasins verkaufen, a recht´s Glump is, das man gleich durchläuft. Und dann hab ich erfahren, daß die Indianer dafür immer auch Nackenstücke hernehmen, so richtig heavy, vom Büffel. Naja und ich nehm eben Rindsleder dafür. Dadurch sind sie haltbarer – man kann die halt so richtig hernehmen. Ich selber bin notorischer Barfußläufer. Und bei moccasins-ähnlichen Schuhen, wenn Du die nach ein paar Stunden Barfußlaufen anziehst, dann ist das die Erleichterung, ohne die Einschränkung, die man mit normalen Schuhen empfinden würde. Das ist alles Naturmaterial, das Fußklima darin ist natürlich optimal. Allerdings hat man auch immer wieder schnell mal nasse Füße damit. Es ist halt ein biß´l sehr indianisch. Ich häng´s zur Pflege dann immer in den Rauch rauf, dann imprägnieren sie sich dadurch ein bißerl. Es ist eben ein Teil unserer Vergangenheit. Ich hab mir immer wieder überlegt, wie die so gelebt haben, auch unsere Vorfahren, die waren ja dieselben. Denen hat das Wetter einfach weniger ausgemacht. Ich hab mich da schon eine Weile darin trainiert, daß man einfach mehr aushält, auch nasse Füße, nicht immer nur von bestimmten Komfort-Erwartungen abhängt, daß die befriedigt werden.

(…)

Das volle Interview mit Hans Rehm (sehr umfangreich) sowie weitere Informationen zu den Isarindianern sind in Band 3 Die neue Isar enthalten (Erscheinungsdatum: Februar 2012)

Hans Rehm betreibt indianisches Kunsthandwerk, näht Moccasins und Lederbekleidung in herausragender Qualität. Kontakt über Forum und Redaktion Die neue Isar

Mehr Informationen zum Gesamtprojekt Die neue Isar unter den Links dieser Seite: www.die-neue-isar.com

 

Ralf Sartori, Forum und Redaktion Die neue Isar

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