Energiewende Wasserkraft Bayerische Fluss-Allianzen

 

Energiewende, Wasserkraft-Nutzung und Bayerische Fluss-Allianzen

Mit dieser Seite sollen bisher wenig bekannte und beachtete Argumente und Hintergründe in die Öffentlichkeit getragen werden, die auch im Zuge der Energiewende – welche grundsätzlich zu begrüßen ist –, dagegen sprechen, die Wasserkraft-Nutzung weiter auszubauen. Diese gelten natürlich nicht nur für bayerische Flüsse,

Denn eine solche Form der Stromgewinnung ist weder naturverträglich noch umweltfreundlich. Sie bewirkt einen immensen Verbrauch der letzten halbwegs intakten Flußlandschaften. Ihr weiterer Ausbau erschwert oder verhindert die dringend noch erforderlichen Renaturierungs-Maßnahmen an unseren Flüssen und schädigt den ohnehin bedrohten Fisch-Bestand.

Gemessen an ihrem Beitrag zur Deckung des gesamten Energiebedarfs stehen die Schäden, die sie verursacht in keinerlei vertretbarem Verhältnis zum gesamtgesellschaftlichen Nutzen.

So haben sich die großen Naturschutz-Verbände wie auch die Bayerischen Fluss-Allianzen gegen einen weiteren Ausbau ausgesprochen. Ihre grundsätzlichen Argumente dazu werden in den nachfolgenden Positionspapieren auf dieser Seite wiedergegeben.

 

Davon abgesehen möchten Forum und Redaktion Die neue Isar auch unabhängigen Fluss- und Naturschützern die Möglichkeit geben, Beiträge und Argumente zu diesen Themenbereichen auf diesem Fluss-Portal zu veröffentlichen und zu diskutieren.

Eine Möglichkeit hierfür bietet folgender Internet-Blog der Redaktion – unter dem Link: www.die-neue-isar.com/isarrenaturierung/isar-muenchen-isar-blog.

Herausragende Beiträge können auch immer wieder in der Fluss-Buch-Reihe Die neue Isar publiziert werden, die jährlich mit ein bis zwei neuen Bänden erscheint. Mehr dazu unter: www.die-neue-isar.com/die-neue-isar.

 Zudem haben  Forum und Redaktion Die neue Isar auch einen Permanenten Wettbewerb für Flußrenaturierungs-Initiativen und -Projekten ausgeschrieben.

 

Dauer-Wettbewerb zu Renaturierungsprojekten an bayerischen Flüssen auf kommunaler Ebene

Redaktion und Forum Die neue Isar ehren innerhalb ihrer jährlich mit weiteren Bänden erscheinenden Fluß-Buchreihe Die neue Isar, Naturschutz-Initiativen, -Renaturierungs-Engagierte, Städte, Gemeinden und Behörden, die in beispielhafter Weise einen Fluß, bzw. Bach renaturieren, bzw. dessen natürliche Qualitäten verbessern und dabei zugleich überzeugende Lösungen für die Aufgabenstellung einer sinnvollen und naturschonenden Rekultivierung des öffentlichen Lebens an und mit dem Fluß entwickeln. Denn das Ziel einer verbesserten sozialen und kulturellen Einbindung der Gewässer in den öffentlichen Raum, mit dadurch erhöhten Aufenthalts-Qualitäten, bildet, neben „Renaturierung“ und „Bürgerbeteiligung“, ein gleichwertiges Kriterium bei der Auswahl. Die innovativsten Projekte hierzu werden laufend in der Reihe Die neue Isar vorgestellt, abgestuft nach dem jeweiligen Grad ihrer Bedeutung und Tragweite, angefangen bei einem redaktionellen Beitrag, bis hin zu einem eigenen Kapitel oder gar einem Sonderband. Unser privates Engagement für weitest mögliche Renaturierungs-Maßnahmen an bayerischen Flüssen, die Aufwertung des öffentlichen Raumes und eine in diesen Zusammenhängen verbesserte Bürgerbeteiligung, erfolgt aus dem gedanklichen Ansatz einer gewässerübergreifenden Betrachtungsweise und Vernetzung von Fluß- und flußnahen Themen. Durch diesen Wettbewerb wollen wir diese weiter ins öffentliche Bewußtsein bringen und alle, Personen wie auch Institutionen, die sich diesbezüglich engagieren, ehren und zur Nachahmung auf möglichst breiter Ebene anregen. Kontakt und Bewerbungen unter Mail: nymphenspiegel@aol.com

Ralf Sartori

 

 

Energie aus Wasserkraft: Blutroter Strom

Naturschützer, Fischer und Kanuten wenden sich gemeinsam gegen neue Stauwehre und Wasserkraftwerke an unseren Flüssen.

Die bayerische Staatsregierung setzt darauf, die Stromerzeugung aus Wasserkraft auszuweiten. Neue Wasserkraftwerke sollen gebaut werden. Dagegen formiert sich der Widerstand der Naturschützer, Fischer, Kanuten und vieler mehr. Am 24. und 25. Mai fand ein Workshop „Ökologische Wasserkraft“ des bayerischen Umweltministeriums statt. Zuvor haben sich nun am 12. Mai in Neuburg an der Donau die bayerischen Fluss-Allianzen – regionale Netzwerke für den Gewässerschutz – getroffen und mit einer gemeinsamen Erklärung deutlich gemacht, daß ein Ausbau der Wasserkraftnutzung massive nachhaltige Schädigungen unserer Flüsse verursachen würde.

Von der Ammer und der Salzach bis zur Fränkischen Saale wirken in Bayern Fluß-Allianzen. Die nun begründete Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Fluss-Allianzen hat nun mit Beteiligung des Bund Naturschutz, des Landesbunds für Vogelschutz, des Landesfischereiverbands Bayern, des WWF Deutschland und des Bayerischen Kanu-Verbandes Position bezogen – zum Schutz unserer Fließgewässer und Auen.

Das Leben in unseren Flüssen leidet unter der Vielzahl von Stauwehren. Aus vielen unserer Flüsse sind Stausee-Ketten geworden. Der Aufstau eines Fließgewässers bedeutet stets eine massive und nachhaltige Schädigung des Ökosystems.

Die „Stauregulierung“ und „Kanalisierung“ hat dazu geführt, daß heute bei Fischen fast alle Fließgewässer-Arten, die weitere Wanderungen unternehmen und für ihre Fortpflanzung sauberen Kiesgrund benötigen, auf der „Roten Liste“ stehen. Nicht nur der Fluß selbst ist betroffen, denn die geminderte Dynamik der gestauten Flüsse hat auch die Lebensraum- und Artenvielfalt der Auen schwer geschädigt.

Strom aus Wasserkraft ist daher kein „grüner Strom“, sondern rot vom Blut der in Turbinen gehäckselten Fische. Unter dem Eindruck der Energiewende hat das Bayerische Umweltministerium den Schutz der Flüsse offenbar aus den Augen verloren und ist zu einem Fürsprecher der Energieriesen mutiert. Die Verpflichtung der Bundesrepublik, den guten ökologischen Zustand nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie  herzustellen, ist dabei in Vergessenheit geraten. Eine der größten Aufgaben liegt dabei darin, die Durchgängigkeit der Fließgewässer für flußaufwärts und flußabwärts gerichtete Wanderungen von Fischen und anderen Organismen herzustellen und ebenso die Durchgängigkeit für den natürlichen Transport von Kies, Geröll und anderem „Geschiebe“ am Grund der Flüsse. Daher fordert die „Arbeitsgemeinschaft bayerischer Fluss-Allianzen“ von der bayerischen Staatsregierung, die Wasserrahmenrichtlinie entschlossen umzusetzen. Weitere Forderung ist ein Programm zur Stilllegung von Kleinstwasserkraftwerken, da deren Nutzen für die Energieversorgung unerheblich, die ökologischen Schäden jedoch in der Summe enorm sind.

Von bundesweit 7.200 Wasserkraftanlagen  arbeiten 4.243 in Bayern. Damit ist das ökologische Potenzial ausgeschöpft. Besonders umweltschädlich sind dabei 3.593 Kleinwasserkraftanlagen mit weniger als 100 kW Leistung, die lediglich 0,05% zum Stromverbrauch in Bayern beitragen. Die von der Staatsregierung geplante Erhöhung der Wasserkraftenergie wäre allein aus der Modernisierung der bis zu 50 Jahre alten Turbinen zu erreichen. Wenn das Umweltministerium den Druck auf die Energieriesen entsprechend erhöht, kann eine weitere Zerstörung unser Flüsse verhindert werden. Und das „Lebensministerium“ macht sich nicht schuldig am Tod der Gewässer.

 

V. i. S. d. P.  Dr. Josef Paukner, Regensburg

 

 

(Nun ausführlich, für alle Detail-Interessierten, die Hintergründe dazu/ Anmerkung der Redaktion)

 

Gemeinsame Erklärung der bayerischen Fluss-Allianzen

zum drohenden Bau neuer Stauwehre und Wasserkraftwerke

und zur Entwicklung nachhaltiger, gewässerverträglicher Wasserkraftnutzung

(Beschlossen bei der Tagung bayerischer Fluss-Allianzen

am 12. Mai 2012 in Neuburg an der Donau)

 

Das Leben in unseren Flüssen und Auen leidet unter der Vielzahl von Stauwehren. Aus vielen unserer Flüsse sind Stausee-Ketten geworden. Der Aufstau eines Fließgewässers bedeutet stets eine massive und nachhaltige Schädigung des Ökosystems. Die „Stauregulierung“ und „Kanalisierung“ hat dazu geführt, daß heute bei Fischen fast alle Fließgewässer-Arten, die Wanderungen unternehmen und für ihre Fortpflanzung sauberen Kiesgrund benötigen, auf der „Roten Liste“ stehen. In den Turbinen der Kraftwerke werden fortwährend in großer Zahl Fische zerhäckselt. Nicht nur der Fluß selbst ist betroffen, denn die geminderte Dynamik der gestauten Flüsse hat auch die Lebensraum- und Artenvielfalt der Auen schwer geschädigt.

Strom aus Wasserkraft ist daher kein „grüner Strom“, sondern „roter Strom“ – rot wie das Blut der gehäckselten Fische. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie verpflichtet, den guten ökologischen Zustand der Gewässer herzustellen und auch an erheblich veränderten Gewässern ein gutes ökologisches Potenzial zu erreichen. Eine der größten Aufgaben liegt dabei darin, die Durchgängigkeit der Fließgewässer für flußaufwärts und flußabwärts gerichtete Wanderungen von Fischen und anderen Organismen herzustellen und ebenso die Durchgängigkeit für den natürlichen Transport von Kies, Geröll und anderem „Geschiebe“ am Grund der Flüsse. Bei der Bewältigung dieser Aufgaben gehen besonders die bayerischen Behörden viel zu zaghaft vor. Das sogenannte „Strategische Durchgängigkeitskonzept“ der bayerischen Wasserwirtschaft sieht nur für eine sehr geringe Zahl von Stauwehren und anderen Querbauwerken Maßnahmen zur Verbesserung der Durchgängigkeit vor. Meist bleibt es beim Bau von Fischtreppen, Umgehungsgewässern und dergleichen Bauten, durch die Fische allenfalls eingeschränkt flußaufwärts das Wehr passieren können. Der Weg flußabwärts aber führt weiter in die Turbinen.

Für die Geschiebedurchgängigkeit mangelt es bereits an der Entwicklung von Lösungsansätzen.

Große Hoffnungen verbanden sich damit, daß das Erneuerbare-Energien-Gesetz Kraftwerksbetreibern eine erhöhte Einspeisevergütung zubilligt, wenn sie ökologische Verbesserungen etwa durch den Bau von Umgehungsgewässern bewirkten. Es hat sich aber gezeigt, daß diese Verbesserungen oft nur marginal blieben, auch wenn sie großzügig belohnt wurden. Nun droht sogar der Bau neuer Stauwehre und neuer Kraftwerke. Wir befürworten, daß mit der „Energiewende“ hoch riskante und klimaschädliche Technologien zur Bereitstellung von Energie durch regenerative und umweltverträgliche Technologien ersetzt werden sollen. Wir geben allerdings zu bedenken, daß das Potenzial der Wasserkraftnutzung in Bayern aus ökologischer Sicht bereits ausgeschöpft ist. Den Neubau an bestehenden Querbauwerken lehnen wir entschieden ab, denn er wäre stets mit einer massiven nachhaltigen Schädigung des ökologischen Zustands der Gewässer verbunden.

Die bayerische Staatsregierung verbindet mit neuartigen Typen von Wasserkraftwerken hohe Erwartungen. Wir müssen jedoch darauf bestehen, daß solche neuen Wasserkraftwerke nur an bestehenden Kraftwerken als Ersatz für veraltete Anlagen errichtet werden. Sie dürfen nur gebaut werden, wenn zuvor zweifelsfrei nachgewiesen ist, daß von ihnen keine Verschlechterungen der ökologischen Verhältnisse verursacht werden – die wenigen noch frei fließenden Abschnitte unserer Flüsse sind keine „Teststrecken“ für die Erprobung neuer Technologien. Es wäre weltfremd zu glauben, daß Kraftwerke wieder zurückgebaut würden, wenn sich herausstellte, daß die neuen Technologien nicht den versprochenen Effekt bewirken. Wir würden es begrüßen, wenn der Freistaat Bayern mit demselben Eifer, mit dem nun mögliche Standorte für den Bau neuer Kraftwerke gesucht werden, eruieren würde, wo an bestehenden Kraftwerken bei anstehenden Modernisierungen veralteter Einrichtungen neue Wasserkrafttechnologien erprobt werden können.

Wir werden mit allen gebotenen Mitteln unsere Flüsse gegen neue Stauwehre und Kraftwerke verteidigen.

 

Wir fordern von der bayerischen Staatsregierung:

Die Wasserrahmenrichtlinie ist entschlossen und umfassend umzusetzen. In den von der Wasserrahmenrichtlinie gesetzten Fristen muß die Durchgängigkeit der bayerischen Fließgewässer gewährleistet werden. Dementsprechend ist das „Strategische Durchgängigkeitskonzept“ auszuweiten. Als „dritte Säule“ dieses Konzepts und auch entsprechend den Zielen der Biodiversitäts-Strategie des Freistaats Bayern soll für Kleinstwasserkraftwerke ein Programm zur Stillegung dieser Anlagen und zur Beseitigung der Stauwehre begründet werden, da bei diesen der Nutzen für die Energieversorgung unerheblich, die ökologischen Schäden jedoch in der Summe enorm sind. Es müssen größere frei fließende Flußstrecken geschaffen werden, die als Refugien für die natürliche Artenvielfalt dienen. Frei fließende Abschnitte von Flüssen sind von Stauwehren frei zu halten. Bei bestehenden Querbauwerken ist vorrangig der Rückbau oder der Umbau zu gewässerverträglichen Bauten anzugehen. Damit sind Maßnahmen zu einer Revitalisierung von Auenlandschaften zu verbinden.

Gemäß dem Wasserhaushaltsgesetz (§ 34 und § 35) darf die Errichtung, die wesentliche Änderung und der Betrieb von Stauanlagen nur zugelassen werden, wenn durch geeignete Einrichtungen und Betriebsweisen die Durchgängigkeit des Gewässers erhalten oder wiederhergestellt wird und wenn geeignete Maßnahmen zum Schutz der Fischpopulation ergriffen werden. Diese Bestimmungen sind strikt zu beachten. Verwaltungsvorschriften und Verwaltungspraxis sind daran auszurichten. Dabei darf „Durchgängigkeit“ nicht auf den Bau von Fischtreppen oder Umgehungsgerinnen reduziert werden. Vielmehr ist die biologische Durchgängigkeit für flußaufwärts gerichtete Wanderungen und für Wanderungen und Verdriftungen flußabwärts ebenso zu gewährleisten wie die Geschiebedurchgängigkeit.

Bei Ausleitungskraftwerken muß so viel Wasser im Fluß verbleiben, daß der gute ökologische Zustand des Fließgewässers gewahrt oder erreicht wird. Bei Wehren, die nicht geschiebedurchgängig sind, ist ein Stauraum-Management obligatorisch zu machen, das den Geschiebetransport sicherstellt.

Wir fordern einen Umbau der derzeit vorhandenen Wasserkraftwerke, der den Wirkungsgrad und damit den Nutzen der Kraftwerke erhöht und die ökologischen Schäden auf ein vertretbares Maß verringert. Längerfristig ist die Nutzung der Wasserkraft so zu gestalten, dass sie nachhaltig und gewässerverträglich geschieht.

Wir begrüßen es, daß mit Unterstützung des Freistaats Bayern die Entwicklung neuer Technologien zur Wasserkraftnutzung gefördert wird. Es hat sich erwiesen, daß in der Erhöhung des Wirkungsgrades ein weit größeres Potenzial für die Stromgewinnung liegt als im Neubau von Anlagen mit uralter Technik.

Wir geben zu bedenken, daß die Zunahme der Stromproduktion aus neuen Wasserkraftwerken marginal ist gegenüber den gewaltigen Möglichkeiten, durch die Minderung von Energieverschwendung und durch die Erhöhung der Effizienz von Energienutzung eine rationelle Energieversorgung zu gewährleisten.

 

Arbeitsgemeinschaft Bayerische Fluss-Allianzen, ein Netzwerk aktiver Gewässerschützer in Bayern

 

 

Einstimmig beschlossene Resolution der BN-Delegiertenversammlung am 29. April 2012 in Günzburg

Schutz der Fließgewässer in Bayern: Kein weiterer Ausbau der Wasserkraft

Bund Naturschutz fordert echte Energiewende mit Vorrang der Energieeinsparung und ohne ökologische Zerstörung der Fließgewässer.

Im Zuge der Energiewende forciert die bayerische Staatsregierung unter Federführung des bayerischen Umweltministeriums derzeit massiv den Ausbau der Wasserkraft. Die Energieeinsparung und der Kampf gegen die Energieverschwendung haben dagegen keine Priorität, Die Wasserkraftbetreiber stehen bayernweit in den Startlöchern, um an den letzten unverbauten Flüssen und bestehenden Wehren weitere Kraftwerke zu errichten. Im Februar 2012 legte Bayerns Staatsminister für Umwelt und Gesundheit Dr. Marcel Huber eine „Bayerische Strategie zur Wasserkraft – 10-Punkte-Fahrplan für eine ökologische und naturverträgliche Wasserkraftnutzung“ vor. Die neue Strategie wurde am 17.04.2012 im bayerischen Ministerrat vorgestellt und in der Öffentlichkeit bekräftigt. Bis zum Jahr 2021 will nun die bayerische Staatsregierung die Wasserkraft auf etwa 17 Prozent des bayerischen Strombedarfs ausbauen.

Die Delegiertenversammlung des Bundes Naturschutz fordert die bayerische Staatsregierung auf, die „Bayerische Strategie Wasserkraft“ grundlegend zu überarbeiten. Ein Neubau von Wasserkraftwerken ob in den großen Flüssen Donau, Salzach oder Lech oder in den kleineren Fließgewässern ist ökologisch nicht vertretbar und daher als Ziel zu streichen. Die Strommengen, die an neuen Wasserkraftwerken mit großen ökologischen Schäden produziert werden könnten sind marginal und für die Energiewende nicht erforderlich. Der Bund Naturschutz fordert stattdessen, sich in der bayerischen Wasserkraftstrategie ausschließlich auf die energetische Optimierung der Turbinen bestehender Großanlagen über 1000 Kilowatt Leistung bei gleichzeitiger Schaffung von ökologischer Durchgängigkeit und weiteren Verbesserungen für die Fische zu konzentrieren.

Begründung: Die Wasserkraft hat in Bayern schon heute einen Anteil von 60 Prozent an der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien, im Jahr 2010 betrug der Anteil der Energie aus Wasserkraft am Stromverbrauch Bayerns rund 15 Prozent. Bayern ist das Bundesland, welches der Wasserkraft bereits am meisten Opfer gebracht hat. Wir waren das flussreichste Bundesland und sind nun das fließgewässerärmste Bundesland, weil bei uns 90% aller Fließgewässer bereits gestaut sind. 4.250 Wasserkraftanlagen haben aus Flüssen Stauseen gemacht. Der Bund Naturschutz stellt sich aus folgenden Gründen schützend vor die bayerischen Fließgewässer:

 

1. Echte Energiewende heißt vorrangig Energieeinsparung

Zentrale Zielsetzung des BN ist eine ökologische und eine echte Energiewende sein. Dabei steht an erster Stelle das Energiesparen, an zweiter Stelle die Erhöhung der Energieeffizienz und an dritter Stelle der ökologisch verträgliche Ausbau der Erneuerbaren Energien. Die „Energiewende“ in Bayern ist derzeit noch keine echte Energiewende, weil das Energiesparen dabei nur eine völlig untergeordnete Rolle spielt. Es ist nicht hinnehmbar, dass es im “Energiekonzept” der bayerischen Staatsregierung keine ernstzunehmenden Einsparziele gibt, sondern der Stromverbrauch „in den nächsten 10 Jahren auf dem gegenwärtigen Niveau“ gehalten werden soll. Eine Studie des BN, angefertigt durch die Energieagentur Nordbayern, geht dagegen von einem Einsparpotential des Stromverbrauchs in Bayern bis 2030 (gegenüber 2010), um rund 38 % aus, also einem auf rund 62 % reduzierten Stromverbrauch in 2030. Wenn die großen Energieeinsparpotentiale realisiert würden, würde sich der relative Anteil des Wasserkraftstroms an der Energieerzeugung automatisch erhöhen. Das Ziel der Erhöhung des Anteils kann und muss daher über die Energieeinsparung erreicht werden.

 

2. Neue Wasserkraftwerke bedeuten: Hohe ökologische Schäden bei geringem Nutzen

Heute erzeugen in Bayern 219 große Wasserkraftanlagen 92% des gesamten Wasserkraftstroms. Die über 4.000 Kleinwasserkraftanlagen (< 1MW) erbringen nur 8% des Wasserkraftstroms bzw. 1,5% der Gesamtstromerzeugung in Bayern. Eine Erhöhung um 2% bei gleich bleibendem Stromverbrauch würde einige wenige Neubauten in den letzten frei fließenden Abschnitten der großen Flüsse wie Donau, Lech und Salzach sowie eine Unsumme an neuen kleinen Kraftwerken in den vielen kleineren Fließgewässern Bayerns bedeuten. Damit würden bei insgesamt geringer Energieausbeute hohe ökologische Schäden in hoher Dichte auftreten. Die Versprechungen angeblich ökologischer neuer Wasserkraftwerksformen sind bisher nicht in der Realität bewiesen. Sie sollten versuchsweise an zu ersetzenden Altanlagen getestet werden, dürfen aber nicht als Versuch mit unsicherem Ausgang in den letzten freien Fließstrecken verwendet werden. Anstelle des Neubaus kann eine Optimierung der Energieausbeute an bestehenden Kraftwerken den Beitrag der Wasserkraft erhöhen. Hieran muss aber die Verpflichtung geknüpft sein, dass diese Optimierung nicht zu ökologischen Verschlechterungen in Fluss und Aue führt und mit echten ökologischen Verbesserungen verbunden sein muss. Kritischer dagegen ist die Aufrüstung bestehender Querbauwerke mit neuen Kraftwerken.

Aufgrund der hohen Gefährdung von fließgewässertypischen Fischen und anderer Arten

muss jedoch bei jedem Querbauwerk die Prüfung im Vordergrund stehen, ob nicht ein Rückbau nötig ist, um die Ziele des Naturschutzes (s.u.) zu erreichen.

Im Übrigen spielt auch in den Energieszenarien des Umweltbundesamtes die Wasserkraft nur eine relativ konstante Rolle, d.h. ein Zubau ist für die Energiewende nicht nötig.

 

3. Es gibt keine „ökologische“ Wasserkraft

Bäche und Flüsse sind die Lebensadern Bayerns. Sie sind Zentren der Artenvielfalt, sie sind natürliche Hochwasserschutzräume, sie sind wichtig für den Trinkwasserschutz und auch die Erholung – aber nur, wenn die Bäche und Flüsse fließen können. Werden sie gestaut, verliert das Wasser seine Reinigungskraft, seine Lebenskraft für die typischen Arten und seine Faszination für die Menschen. Die gesamte Vielfalt und die ökologischen Leistungen der Fließgewässer und ihrer Auen für den Menschen hängen zentral davon ab, dass das Wasser im Fluss und in der Aue fließen kann. Wird die Fließgeschwindigkeit reduziert bzw. kommt das Wasser im Stauraum zum Stehen, erwärmt sich das Wasser, verschlammt die Gewässersohle, werden Treibhausgase freigesetzt. Das Kraftwerk selbst versperrt Fischen und anderen Arten den Weg, Geschiebe bleibt hängen, im Unterlauf tieft sich der Fluss ein. Die für die Energiegewinnung nötige konstante Stauhöhe bringt die lebensnotwendigen Grund- und Flusswasserschwankungen in der Aue zum Erliegen. Da jede Wasserkraftnutzung einen relativ konstanten Anstau, eine Befestigung für das Kraftwerk und ein Querbauwerk für die Turbinen braucht, kann es keine ökologische Wasserkraft geben. Je mehr Ökologie am Wasserkraftwerk, desto weniger Ertrag – und da wird im Ernstfall immer die Ökologie den Kürzeren ziehen. Das wissen wir aus zahlreichen Fällen, in denen nicht einmal minimalste ökologische Auflagen eingehalten werden, um den Ertrag zu maximieren. Sogar die Vorgaben des EEG werden vielfach durch nur auf dem Papier bestehende ökologische Verbesserungen untergraben.

Die ökologischen Folgen der Wasserkraftnutzung lassen sich auch an den „Roten Listen“ der gefährdeten Arten ablesen: 90% der strömungsliebenden (rheophilen) Fischarten und 100% der Kieslaicher und Langdistanzwanderer werden in Bayern in der „Roten Liste“ geführt. Viele Lebensräume wie Silberweiden-Weichholzauen, die auf schwankende Wasserstände und Materialdynamik angewiesen sind, sind vom Aussterben bedroht. Nur noch 3% der Auen Bayerns sind in ihrer ökologischen Funktionsfähigkeit nur wenig eingeschränkt – diese Liste ließe sich lang fortsetzen.

 

4. Fazit: Erhalt und Renaturierung von Fließgewässern und Auen und eine ehrliche, ökologische Energiewende sind möglich und nötig

Die bayerische Staatsregierung muss ihre Energie in eine echte Energiewende mit dem Vorrang des Einsparens stecken, anstatt die letzten natürlichen Schätze an den bayerischen Fließgewässern einer vermeintlichen Energiewende zu opfern. Nur so kann sie auch die Verpflichtungen aus dem bayerischen Naturschutzgesetz, von Natura 2000, der bayerischen Biodiversitätsstrategie, des bayerischen Auenprogrammes und der Wasserrahmenrichtlinie umsetzen – sie alle fordern ökologische Verbesserungen an den Gewässern. Der von der Staatsregierung erst vor kurzem vorgestellte „Flussbericht“ zeigt mehr als deutlich, wie dringend und vorrangig das Ziel einer flächendeckenden Renaturierung der geschundenen Flüsse in Bayern ist. Eine Renaturierung ist mehr als ein „Fischpass“, sie bedeutet, Dynamik ins Gewässer zurückbringen und Befestigungen wo immer möglich zu entfernen – während Wasserkraft genau das Gegenteil bedeutet.

 

 

 

 

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